Unsere Blindenführhunde
Blindenführhunde können blinden Menschen Freiheit und Selbstständigkeit zurückgeben. Sie sind nicht nur eine Alltagshilfe, sondern ein Begleittier auf Lebenszeit.
Daher liegt uns die richtige Ausbildung der Hunde besonders am Herzen.
Um sicherzustellen, dass die ausgewählten Hunde die Anforderungen an sie erfüllen, züchten wir schon seit mehreren Jahren Hunde der Rasse Bouvier des Flandres (siehe "Hundezucht"). Diese sind durch ihr stabiles Nervenkostüm, unserer Erfahrung nach, sehr gut als Führhund geeignet. Interessieren sie sich für andere Rassen sind wir auch dafür offen. Wir haben Kontakte zu vielen vertrauensvollen Züchtern und erfüllen ihnen (fast) jeden Wunsch.
Die Ausbildung
Nach der Auswahl des geeigneten Welpens, lebt der Hund bei einem unserer Pat:innen. Diese:r kümmert sich das erste Lebensjahr mit Hingabe um ihren zukünftigen Führhund. Hier beginnt auch schon das erste Training. Es werden Grundkommandos geübt und der Hund lernt das Leben in einem normalen Haushalt kennen.
Anschließend kommt er zu uns in den Tannenhof zur Ausbildung. Diese dauert ca. 6-9 Monate. Täglich wird mit dem Hund gearbeitet um ihm ca. 40 Hörzeichen beizubringen. So führt er sie nach der abgeschlossenen Ausbildung sicher durch den Alltag. Zebrastreifen, Ampeln, Bordsteine, Briefkästen, Bänke, Treppen, Türen und noch vieles mehr kann er nun erkennen und anzeigen.
Das besondere an der Ausbildung zu einem Blindenführhund ist der intelligente Ungehorsam d.h. der Hund hat die Erlaubnis ein Kommando zu ignorieren, wenn er die Situation als zu unübersichtlich oder als gefährlich einschätzt.
Nach der Ausbildung, abgeschlossener Einarbeitung und bestandener Gespannprüfung gehört der Blindenführhund jetzt ganz ihnen und wird sie bis an sein Lebensende, in allen Lebenslagen unterstützen und eine große Hilfe sein.
Wer mehr über die Ausbildung und das Leben mit Blindenführhund wissen will, kann sich gerne diese Beiträge über Blindenführhunde ansehen, in denen auch wir und von uns ausgebildete Hunde vorkommen:
Blindenhund: Ausbildung, Job und Rente
Durch die Stadt mit einem Blindenführhund - Barrierefreiheit in Würzburg
Der Bouvier als Blindenführhund
Der Bouvier des Flandres...
...ein ganz besonderer Blindenführhund
von Beate Steitz
Der Bouvier des Flandres ist in Deutschland noch nicht ganz so bekannt als Blindenführhund, wie dies in Holland, Belgien oder Frankreich der Fall ist. Aber diejenigen, die einen solchen Hund haben, erkennen schnell die Vorzüge, die ihn als perfekten Führhund auszeichnen.
Ich bin selbst blind und arbeite seit dem 24.06.2019 mit meiner Hündin Finja, einem Bouvier des Flandres, im Team zusammen. Ich habe Finja am 22.11.2017, im zarten Alter von gerade mal zwei Monaten, auf dem Tannenhof Schmitz, in Wallersheim, kennengelernt und mich sofort in sie verliebt. Irgendwie war mir von Anfang an klar, dass dies mein Hund sein muss. Als ich den Tannenhof damals besuchte, hatte ich keine konkreten Vorstellungen, welche Rasse ich als Blindenführhund haben möchte. Ich wusste nur, dass der Hund nicht zu klein sein darf. So wurde mir dann von Herrn Roland Schmitz ein Bouvier empfohlen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich nur selten von einem Bouvier als Blindenführhund gehört und war zunächst doch ein bisschen skeptisch. Die Skepsis verflog direkt, als ich Finja traf.
Als ich im Jahre 2015 beschloss, dass mein nächster Hund ein Blindenführhund wird, habe ich verschiedene Führhundeschulen besucht. Schließlich wollte ich für mich den passenden Hund und natürlich auch die passende Hundeschule mit einem Trainer, bei dem ich mir vorstellen konnte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Es ist gar nicht so einfach, die passende Führhundeschule zu finden. Ich hatte mehr oder weniger per Zufall vom Tannenhof Schmitz erfahren und war gleich, bei meinem ersten Besuch dort, restlos begeistert. Besonders gut gefiel mir, dass der mir empfohlene Bouvier aus der eigenen Zucht des Tannenhofes kam und dass Herr Schmitz auch die Lizenz hat, Blindenführhunde auszubilden. Sicherlich gibt es die eine oder andere Führhundeschule, die ihre Hunde auch selbst züchten. Aber meistens wechseln die Hunde dann in eine Patenfamilie und kommen erst wieder zu Beginn der Ausbildung zurück in die Führhundeschule. Finja hatte auch eine Patin. Miriam war damals Auszubildende auf dem Tannenhof. Ich fand sie sofort sympathisch und mir gefiel der Gedanke, dass mein Hund sich nicht ständig zwischen Führhundeschule und Patenfamilie umstellen muss. Dadurch, dass Miriam auf dem Tannenhof arbeitete, kam auch Finja immer mit zum Tannenhof. So konnte man immer Finjas Entwicklung beobachten und frühzeitig feststellen, ob sie als Blindenführhund tatsächlich geeignet ist oder nicht.
Es passte einfach alles zusammen, sowohl menschlich als auch die Sympathie zwischen Finja und mir. Ich wurde von Roland und Susanne Schmitz sowie von dem gesamten Team des Tannenhofes gleich sehr herzlich aufgenommen und wusste sofort, dass ich hier immer einen Ansprechpartner habe - auch dann, wenn die Ausbildung von Finja vorbei sein würde und wir als Team zusammen sind. Schließlich ist eine gute Nachbetreuung und Beratung auch nach der Einarbeitungsphase des Gespanns sehr wichtig.
Bei Miriam hat Finja vieles kennengelernt. Da sie Miriam zur Berufsschule nach Düsseldorf begleitete, lernte sie schnell mit dem Zug zu fahren und wie es so in einer Großstadt zugeht. Je früher die Hunde solche Erfahrungen machen, umso weniger werden sie später vor solchen Dingen zurückschrecken. Auch in einer Berufsschule muss man sich natürlich als Hund unter dem Tisch ruhig verhalten. So hatte Finja auch damit kein Problem, als sie mich zum ersten Mal ins Büro begleitete.
Da die Ausbildung ja erst beginnen konnte, als Finja ein Jahr alt war, musste ich mich natürlich noch ein bisschen in Geduld üben. Die Zeit habe ich mit dem einen oder anderen Besuch auf dem Tannenhof überbrückt und im Oktober 2018 kam Roland Schmitz dann mit Finja zu mir nachhause, damit er sehen konnte, wo und wie Finja untergebracht ist und welche Spazierwege, welcher Arbeitsweg und sonstigen Wege wir beide zusammen meistern wollen.
Im April 2019 war ich dann ein Wochenende in Gerolstein, um die ersten Gehversuche mit Finja zu unternehmen. Natürlich ist man sich zuerst mal unsicher und fragt sich, ob man das auch wirklich alles so schafft, wie man sich das vorgestellt hat. Aber gut Ding braucht bekanntlich Weile und im Nachhinein kann ich sagen, dass wir uns ziemlich schnell als Team zusammengefunden haben. Mir wurde immer gesagt, dass ich uns mindestens ein halbes Jahr Zeit geben soll. Solange hat es bei uns nicht gedauert. Klar, die Routine kommt erst mit ständiger Übung und das Vertrauen wächst dadurch auch. Unsere Gespannprüfung haben wir bereits am 12.09.2019 erfolgreich absolviert.
Jedes Ding hat bekanntlich zwei Seiten. Zum einen hat man mit Pflege, Füttern und Gassi gehen mehr Arbeit, vor allem, wenn es darum geht, die Ruhezeiten zwischen Füttern und Arbeit oder zwischen Füttern und Spaziergang einzuhalten. Ich muss eben jetzt einiges anders organisieren und mehr Zeit einplanen. Auch das muss geübt werden. Andererseits habe ich durch Finja mehr Selbständigkeit und eine wesentlich höhere Lebensqualität gewonnen. In der Mittagspause kann ich endlich mal einen kleinen Spaziergang an der frischen Luft unternehmen, was ich mich vorher alleine nie getraut hatte. Klar, bei schlechtem Wetter würde ich auch lieber die Pause im Aufenthaltsraum verbringen. Das geht natürlich mit einem Hund nicht mehr und das ist auch gut so. Schließlich gewinnt man auf diese Weise in der Pause doch ein bisschen Abstand von der Arbeit. Außerdem kann ich jetzt endlich auch mal schnell in der Pause oder nach der Arbeit noch Besorgungen machen, mich mit Freunden zum Mittagessen oder im Sommer auch zum Eis essen nach der Arbeit verabreden. Endlich muss ich niemanden mehr fragen, ob er mich hinbringt, mit mir geht oder mir etwas mitbringt. Ich ziehe Finja das Führgeschirr an und los geht's.
Überall, wo ich mit Finja hinkomme, ist sie der Star. Ganz gleich, ob wir im Supermarkt, im Restaurant oder bei Veranstaltungen sind. In der Metzgerei werde ich schon von den Verkäuferinnen ganz traurig gefragt, ob denn der Hund nicht vielleicht ein kleines Stück Wurst bekommen darf. Da kann ich natürlich auch nicht nein sagen, denn schließlich macht Finja ja einen super tollen Job und dann steht ihr ein ganz besonderes Leckerchen selbstverständlich auch mal zu.. Einzige Bedingung - es muss von mir kommen. Schließlich möchte ich meinen Hund ja nicht so erziehen, dass er von jedem ein Leckerchen nimmt oder bei jedem um Futter bettelt. Also lasse ich mir das Stück Wurst geben und ich gebe es dann an Finja weiter. Auch im Büro bei den Kollegen ist sie der Star. Ich überlege schon, so langsam mal eine Kuschelgebühr einzuführen.
Seit Finja bei mir wohnt, habe ich mindestens fünf Kinder, die mich fast täglich besuchen. Alle wollen mit Finja spielen und mit uns spazieren gehen. Zwei Kinder, die direkt neben mir wohnen, sind schon so gut wie ständige Begleiter. Amelie und Leonie toben und rennen mit Finja im Garten, schneiden Dornen auf unserem Spazierweg zurück und helfen auch, wenn es darum geht, Wege zu üben. Sie scheuen sich auch nicht davor, die Hinterlassenschaften von Finja mitzunehmen, falls Finja es mal nicht schaffen sollte, ihr Geschäft dort zu machen, wo man es beruhigt liegen lassen kann. Amelie hat öfter während der Einarbeitungsphase zugesehen, wie Roland Schmitz Finja beigebracht hat, was sie mir anzeigen soll. Wenn ich mal unterwegs bin und Finja nicht mitnehmen kann, dann wird Finja von Amelie, Leonie und ihren Eltern, Susanne und Michael aufgenommen und liebevoll betreut. Wenn Finja im Freilauf ist und jemanden von der Familie sieht, rennt sie dort schwanzwedelnd hin. Da Finja mit uns allen super gerne kuschelt und weil sie eben so ist, wie sie ist, nennen wir sie oftmals Bärchen oder Kuschelprinzessin.
Meistens treffen wir beim Spazieren gehen natürlich auch andere Hunde. In unserer Nachbarschaft wohnt z.B. Ebby, ein Australian Shepherd. Sie ist Finjas erste Freundin. Unser Spazierweg führt zunächst mal über einen Schotterweg, der von einigen Feldern umgeben ist. Der Weg ist nicht lang, aber Ebby und Finja schaffen es oft, sich auf diesem kurzen Stück im Feld total auszupowern. Ein weiterer neuer Freund ist Bubi, ein 15 Wochen alter Labrador, der sich schon riesig freut, wenn er Finja sieht. Dann gibt es da auch noch Mali, Leo und Barco. Die dürfen wir natürlich nicht vergessen.
Wenn wir morgens auf dem Weg zur Arbeit sind, führt unser Weg ein Stück durch einen Park. Dort treffen wir dann immer morgens schon Coba und Teddy. Die Hunde powern sich aus und wir Besitzer freuen uns, dass dann hinterher am Schreibtisch oder Zuhause erst mal wieder Ruhe einkehren kann.
Neulich hat mich Finja zum Chiropraktiker begleitet. Ich ließ sie m Behandlungszimmer neben dem Stuhl, wo ich meine Schuhe abgestellt hatte, Platz machen und folgte dem Chiropraktiker zur Behandlungsliege. Finja hielt es nicht länger auf ihrem angewiesenen Platz aus. Sie kam und schlich um die Liege herum und beobachtete ganz genau, was der Kerl da wohl mit ihrem Frauchen so anstellt.
Neben ihrer Ausbildung zum Blindenführhund hat Finja auch die Ausbildung zum Fahrradbegleithund erfolgreich bestanden.
Es ist schon eine echte Sensation, wenn ich mit Freunden und Bekannten auf meinem Paralleltandem und Finja unterwegs bin. Als nächstes werde ich mir einen Fahrradanhänger anschaffen, in dem Finja sich dann auch mal ausruhen kann, wenn wir eine längere Tour machen.
Dank ihres ausgeglichenen Charakters kann sich Finja der jeweiligen Situation sehr gut anpassen. Austoben beim Spielen und Rennen, oder ruhig und geduldig unter dem Schreibtisch oder in einer Ecke des Zimmers liegen und sich mit einem Kauholz beschäftigen oder schlafen - das alles ist kein Problem bei Finja. Es besteht auch keine Gefahr, dass sie einfach so im Führgeschirr mal los rennt. Sie nimmt bei der Führarbeit die Umgebung aufmerksam wahr, ist sehr umsichtig, aber dennoch meistens konzentriert bei der Arbeit.
Wenn man als blinde Person im Dunkeln unterwegs ist, kann das Schutzverhalten des Bouvier ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Das funktioniert natürlich auch am Tage, beispielsweise wenn ihm Menschen suspekt sind. Finja steht dann plötzlich neben mir und wartet erst mal ab. Manchmal macht sie sich dann knurrend oder kurz bellend bemerkbar. Obwohl Finja vom Wesen her sehr anhänglich und freundlich ist, zeigt sie sich dennoch fremden Personen gegenüber misstrauisch und zurückhaltend. Es sei denn sie merkt, dass ich die Person bereits kenne.
Man sagt, dass der Bouvier des Flandres sehr gelehrig und intelligent ist. Im Bezug auf Finja kann ich das nur bestätigen. Dies ermöglichte ein schnelles Einüben verschiedener Wege, die wir im Alltag brauchen, wie z.B. den Arbeitsweg sowie Wege um Einkaufen oder zum Besuch von Freunden und Bekannten. Sie hat sich die Wege schnell eingeprägt und verlernt diese auch nicht, wenn wir sie mal länger nicht gehen. Meist war sie sich auf diesen Wegen viel schneller sicher als ich. Neue Wege zu lernen bereitet ihr immer viel Spaß und Freude.
Auch die ausgeprägte Robustheit des Bouvier kann für blinde Menschen von Vorteil sein, da gerade Personen, die von Geburt an blind sind, manchmal Probleme mit dem Gleichgewicht haben. So kann man sich an dem robusten Körper des Bouvier mal kurz festhalten, falls man ins Wanken kommt.
Die ruhige und aufmerksame Art macht den Bouvier des Flandres zum idealen Begleiter eines Blinden. Ganz gleich, ob er sich mit Freunden in einem Restaurant oder bei anderen Veranstaltungen treffen möchte. Auch wenn es bei manchen Veranstaltungen mal ein bisschen laut zugeht - der Bouvier lässt sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Besonders gut zeigt der Bouvier seine Vorzüge als Hütehund beim Gassi gehen. Wenn man in einer Gruppe unterwegs ist, versucht er immer, die Gruppe zusammenzuhalten. Die Tatsache, dass der Bouvier des Flandres keinen Jagdinstinkt hat, ist ebenfalls ein großer Vorteil. Wunsch und Ziel eines jeden Menschen mit einem Handicap ist es doch, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können.
Diesen Wunsch hat Finja mir auf jeden Fall erfüllt. Sie hat mich meinem Ziel ein großes Stück näher gebracht und ist sozusagen mein Fels in der Brandung.
Erfahrungsberichte
Die Geschichte von Tim Böttcher und Banggai:
Mein Blindenhund und ich • IT Center Blog